555 Jahre Stadtpfarrkirche

 

 

Am 16. Dezember 1466 wurden die Altäre der Stadtpfarrkirche Mariae Himmelfahrt in Landsberg am Lech geweiht. Damit war ein vorläufiger Schluss in der Baugeschichte erreicht, endgültig vollendet wurde die Kirche 1488. Kein Papst oder Bischof und kein Landesherr hatte den Bau dieser für damalige Verhältnisse gewaltigen Kirche befohlen, vielmehr hatten die Bürger der Stadt und die Mitglieder der Kirchengemeinde, was damals identisch war, sich in den Kopf gesetzt, eine eigene große Kirche zu erbauen. Der religiöse Aufschwung der damaligen Zeit und die günstigen wirtschaftlichen Verhältnis-se aufgrund des Salzhandels erlaubten es, eine solch große Kirche zu planen und die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Alle Mittel stellten die Gläubigen, die Stadtge-meinde und die vielen Bruderschaften zur Verfügung. Das Vorhaben würde man in heu-tiger Sprache wohl unter „Think Big„ einordnen, denn zur Zeit der Erbauung hatte die Stadt Landsberg wohl nicht mehr als 600 Einwohner (wobei vermutlich Frauen und Kin-der noch hinzuzurechnen sind). Trotzdem bot die Kirche nicht weniger als 1.000 Plätze.

Unsere Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt

Warum nun musste es eine neue große Kirche sein? Zum einen war die Bevölke-rungszunahme ein Grund, verbunden damit war der Aufschwung des religiösen Lebens im Spätmittelalter infolge der wirtschaftlichen Prosperität und schließlich auch das Repräsentationsbedürfnis der Stadt Landsberg. Wesentlich war daneben eine besondere kirchenrechtliche Lage.

Seit 1221 hatte das Kloster Wessobrunn das Patronatsrecht. Unter dem Patronat ver-steht man die Gesamtheit der Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristi-schen Person an einer Kirche oder einem kirchlichen Amt zustehen. Das wichtigste Recht des Patrons ist das Präsentationsrecht, d.h. das Recht, bei der Besetzung eines Kirchenamts dem Bischof mit grundsätzlich bindender Wirkung einen Seelsorger vorzu-schlagen. Zu den Pflichten des Patrons zählen die Dotierung des bepfründeten Kirchenamts (Besoldung des Pfarrers oder Kaplans) und das Tragen der Baulast an der betreffenden Kirche.

Das Rechtsinstitut des Patronats ist ein Element der Kanonistik und der gregorianischen Kir-chenreform des 12. Jahrhunderts. Es diente als finanzieller Anreiz zum Kirchenneubau (oder Neu-gründung), denn Stifter von Kirchen, Kapellen und Seelsorgestellen waren deren Patronatsherren, sofern sie Baugrund, Kirchengut und Gebäude beschafften. Am Patronatswesen beteiligten sich Adel, Klöster und andere kirchliche Institute, im Spätmittelalter auch Gemeinden, so auch die Stadt Landsberg. Das von Papst Clemens noch 1401 bestätigte Patronatsrecht der Wessobrunner war den Landsberger Bürgern ein Ärgernis. Es bedeutete nämlich nicht nur die Abhängigkeit bei der Bestellung des Pfarrers vom Kloster Wessobrunn, sondern auch dass die vielfältigen Pfründen und Einnahmen an das Kloster abgeführt werden mussten. Wessobrunn war schon seit langem in wirt-schaftlicher Schieflage und daher an diesen Einnahmen stark interessiert. Durch einen Kirchen-neubau sah sich die Stadt Landsberg in der Lage, das Patronat oder Teile davon zu übernehmen und damit frei zu werden von der Bevormundung durch das Kloster Wessobrunn. Lange Jahre schon schwelte der Streit bis schließlich im Vertrag der Stadt Landsberg mit dem Kloster vom 7. Januar 1457 vorläufig eine Einigung und juristische Grundlage gefunden wurde. Stadt und Kloster legten fest, dass Nominationsrecht (Recht zur Bestimmung des Geistlichen) und Präsentationsrecht (Recht, diesen Geistlichen dem Bischof vorzuschlagen) der Stadt Landsberg zustehen würde. Die entscheidende Passage des Vertrages lautet:

wann die benannt pfarrkirch oder pfründe.. die iietzt gestift sind oder hinfür gestift werden, ledig wirt oder werden daz allweg wir Burgermaißter und Rätt zu Landsberg sölich pfarr Gotzgaben und pfründen zu fürsehen Priester oder Personen.. fürnemen welen und ainem prelaten.. zu schickn söl-len. der prelat soll dann allweg ohn all widerred, irrung und einträg den selben leiien und die füro presentieren..

Bild Kupferstich folgt.  

Um dies auch in der Rechtswirklichkeit abzusichern, beschloss die Stadt einen Kirchenneubau, obwohl die bestehende Kirche noch keine 80 Jahre alt war. Die bestehen-de Kirche wurde teilweise abgerissen und die Neugründung durch städtischen Bau-grund (fundus), Kirchengut (dos) und Gebäudebau (aedificatio) bewerkstelligt. Damit war die kirchenrechtliche Herrschaft gewissermaßen zusätzlich in Stein gemeißelt. Das Geld für den Kirchenbau wurde durch Stiftungen, Ablässe und Mittel der Bruderschaften und der Stadt selbst aufgebracht. Bereits an Pfingsten 1457 weilte der Baumeister Matthäus von Ensingen ( Kirchenbaumeister in Ulm) in Landsberg. Ob dieser nun alleine oder zu-sammen mit dem Palier (spätmittelalterliche Berufsbezeichnung des „Sprechers der am Bau beschäftigten Zimmerleute, Steinmetzen, Maurer; heute Polier) Valentin Kindlin aus Straßburg die Pläne erstellte ist offen. Jedenfalls begann der Kirchenbau erstaunlich zügig mit der Grundsteinlegung durch Abt Leonhard III. von Wessobrunn am 20. Februar 1458. Die Inschrift über dem Hauptportal bezeugt dies (übersetzt):

Anno 1458 am Montag nach Invocavit (= 19. Februar) ist gelegt der erste Stein an die-sem Gotteshaus Gott zum Lob und der Maria

Die Wahl Matthäus von Ensingens (oder Ensingers) kann wohl auch im Streben der Stadt Landsberg nach größerer Eigenständigkeit begründet gewesen sein. Ensinger war in Südwestdeutschland und der Schweiz der führende Kirchenbaumeister. Sein Hauptwerk ist das Berner Münster (Grundsteinlegung 1421). Auch sein Palier und Nachfolger als „werckmann“ stammte nicht aus dem bayerischen Raum, sondern aus der Straßbur-ger Dombauhütte. Als dritte wichtige Person in der Baugeschichte des Spätmittelalters und Vollender der Stadtpfarrkirche ist Veit Maurer zu nennen, ein Baumeister und Werkmann der Stadt.

Begonnen wurde der Neubau vermutlich an der Westwand und der Südhälfte des Langhauses, dadurch konnte die alte Kirche noch zu Gottesdiensten genutzt werden und diente kostengünstig als Gerüstersatz für den Neubau.

Wie so vielen Kirchenbaumeistern seiner Zeit war es auch Matthäus von Ensingen nicht vergönnt, sein Werk vollendet zu erleben. Um das Jahr 1463 verstarb er und seine Aufgabe wurde übernommen von Valentin Kindlin. Nach Verzögerungen, vermutlich aufgrund Geldmangels, die mithilfe von Ablässen und Spenden (ein Opferstock aus der Bauzeit ist auch heute noch beim Südwestportal zu sehen) bewältigt wurden, konnte der Kirchenbau im Jahre 1466 soweit geschlossen werden, dass eine ordnungsgemäße Al-tarweihe stattfinden konnte. Am Sonntag den 16. Dezember 1466 wurden die Kirche und die Altäre, einer davon ist in seiner Substanz heute noch im Volksaltar erhalten (durch ein Gitter kann man diese Reste betrachten), geweiht. Im südlichen Seitenschiff, in der dritten (?) Kapelle von Osten, ist das Weihejahr durch die Zahl 1466 im Gewölbebogen angebracht. Die Fresken, vermutlich aus der Erbauungszeit, sind nicht entzifferbar verblichen.

Fertiggestellt, abgesehen von etlichen Ergänzungen, wurde der Kirchenbau im Jahr 1488. Fertiggestellt, abgesehen von etlichen Ergänzungen, wurde der Kirchenbau im Jahr 1488. Das äußere Erscheinungsbild in diesem Jahre gleicht im Wesentlichen dem, was heute zu sehen ist.

Die Jahreszahl 1488 über dem mittleren Altarhaushauptfenster mit dem Steinmetzzeichen des Werkmeisters Veit Maurer

In der Reformationszeit blieb Landsberg im Gegensatz zu den benachbarten Freien Reichsstädten Memmingen und Kaufbeuren katholisch, nicht zuletzt wegen der eindeu-tig katholischen Haltung der bayerischen Landesherrn. Die wirtschaftliche Situation der Pfarrei wurde jedoch schwierig. Einnahmen blieben aus, der Renovierungsbedarf stieg. So klagte 1536 Stadtpfarrer Magister Magnus Haldenberger dem Stadtmagistrat:

Das arm Gottshaus steht halb ausgebaut, kann sich selbst nicht decken, nicht täfern, nicht glasen, die Wände nicht verwerfen und schreit zu den alten Bürgern Landsbergs, dass es bei diesen Kindern zu Grunde gehen müsse, wann ihm nicht bald Hilfe würde.

Es gab wohl Schäden am Dach, es fehlte eine ansprechende Decke für das Mittel-schiff und nach wie vor gab es unverputzte Wände. Zumindest die Decke des Mittel-schiffs wurde auf diesen Hilferuf eingebaut. 1564 wurde eine bemalte Holzdecke einge-zogen. Einzelne Bretter dieser rankenbemalten Decke sind in der Ausstellung noch zu bewundern. Herzog Albrecht V. von Bayern stiftete 1562 das „Fürstenfenster“ im Chor.

Durch die Jesuiten, die von den Landesherren zur Gegenreformation nach Landsberg geholt worden waren, kam das religiöse Leben wieder in Schwung. Die von ihnen wieder initiierten Bruderschaften (z. B. Bruderschaft Unserer Lieben Frau, Nepomukbruder-schaft, Bruderschaft vom Guten Tod) förderten entscheidend den Erhalt der Kirche.

Schweren Schaden erlitt die Kirche, genauso wie die Stadtgemeinschaft, durch den 30-jährigen Krieg (1618 – 1648) und zu allem Übel auch noch durch die Pestepidemie von 1627. 1631 begannen Schreckensjahre für die Stadt. Besatzungen und Belagerun-gen, mal durch die Schweden, mal durch die Kaiserlichen, Kontributionen und Zerstö-rungen verdunkelten diese Jahre. Der Kirchenschatz und auch die kupfernen Taufbe-cken und Weihwasserkessel wurden von den Schweden geraubt, die Kirche war ein Tatort von Morden und ein Pferdestall geworden. Wegen dieser schändliche Vorgänge musste die Kirche 1639 neu geweiht werde.

Der Krieg war schließlich 1648 vorbei und hinterließ eine erschöpfte und ausgelaugte Stadt. In dieser Not verlobte sich die gesamte Stadtbevölkerung zu Ehren Gottes und der Mutter Maria, der Patronin der Stadtpfarrkirche. Langsam erholte sich die Stadt und sorg-te für die Ausstattung der Kirche und den Ersatz der verlorenen Gegenstände. Beson-ders die Bruderschaften und Zünfte taten sich in dieser Hinsicht hervor. Die Schneider stifteten für ihren Altar ein silbernes Reliquiar für einen Kreuzpartikel, die 20 (!) Brauer stifteten einen Katharinenaltar für ihre Zunftkapelle. Lorenz Luidl erhielt 1671 den ersten von zahlreichen weiteren Aufträgen, nämlich einen Christus auf dem Palmesel, heute in der rechten Chorkapelle.

Die Pest hatte ein Viertel der Bevölkerung dahingerafft, der Krieg hat das Übrige dazu getan, dass die Stadt entvölkert war und zerstört. Trotzdem begann bereits 1678 wieder der erste Renovierungsschub an der Stadtpfarrkirche. Für den Menschen der frühen Neuzeit war die Kirche nicht irgendein Gebäude, sondern der Stein gewordene Wille zum Überleben und zur ewigen Seligkeit. Auch diese neuerliche Bautätigkeit war allein dem Wunsch und Willen der Stadt geschuldet. Sie wählte die Künstler und Handwerker aus und billigte deren Pläne. Dabei ging es nicht nur um die Beseitigung von Schäden und Restaurierung, sondern um eine Umgestaltung der Stadtpfarrkirche nach dem neu-en Geschmack des Barock. Die Altäre wurden neu ausgestattet und hergestellt und die gotische Kirche wurde mit barockem Stuck (Eierstab, Blattstab, Fruchtgehänge, Blattgir-landen) überformt. Die wohl bereits beim Bau geplante Gewölbedecke im Mittelschiff wurde nun verwirklicht nach „neuester“ Mode des Barock. Die gotische Flachdecke aus bemalten Holzbrettern verschwand unter einer stuckierten Holztonne. Bezahlt wurde sie von der Kirchenstiftung und der Stadt. Der Baumeister der barocken Umgestaltung, Mi-chael Beer aus Vorarlberg, bezahlte sein Werk mit dem Leben, er wurde wenige Monate nach Baubeginn von einem herabfallenden Balken erschlagen, erst 38 Jahre alt. Der Kirchturm wurde 1699 mit „welschen“ Hauben versehen (doppelte Zwiebelhaube). Viele Zünfte und Bruderschaften erneuerten oder ersetzten die bisherigen Altäre in den Sei-tenschiffkapellen durch neue Altäre. Metzger, Maurer, Zimmerleute, Brauer und Kaufleu-te verschönerten nach Kräften die Kirche und machten dadurch auch ihre Berufsehre deutlich. Aus dieser Zeit stammen auch die acht großen Apostelfiguren an den Pfeilern von Johann Luidl (Sohn des Lorenz Luidl).

Auch der Hochaltar wurde durch einen neuen barocken Altar ersetzt. Meister Jörg Pfeiffer aus Bernbeuren schuf den beeindruckenden Altar. Im Mittelpunkt steht das Al-tarblatt mit der Gottesmutter und den Personifikationen der (damals bekannten) vier Erd-teile sowie den bayerischen Herzog von dem Münchner Hofmaler Antonio Triva. Darüber ist das Martyrium des heiligen Sebastian dargestellt. Seit 1772 ist er Stadtpatron, mög-licherweise im Zusammenhang mit einer damals wütenden Seuche. Durch eine Verlo-bung an den heiligen Sebastian suchten die Menschen sich jenseitiger Hilfe zu versi-chern in Notzeiten. Bemerkenswert ist dieser Vorgang auch deswegen, weil in der Regierungszeit des Kurfürsten Max III Josef (1745 – 1777) bereits die Aufklärung einen star-ken Einfluss gewonnen hatte. Prozessionen und Stadtheilige passten eigentlich nicht mehr in diese neue aufgeklärte Denkweise. Sie galten als abergläubisch und veraltet. Bis in unsere Tage hat sich die Tradition der Sebastiansprozession im Januar jeden Jahres erhalten. Ganz oben, fast schon etwas hineingequetscht, schwingt der Erzengel Michael sein Flammenschwert als Symbol des Kampfes gegen die Reformation. Der alte gotische Altar wurde auseinander genommen und verkauft, nach einer Irrfahrt im zweiten Weltkrieg befinden sich daraus acht Altarbilder heute im Museum Dahlem, Berlin.

1715 konnte trotz der drückenden Lasten des spanischen Erbfolgekriegs der Kirchturm mit sechs Glocken bestückt werden, durch den Abt von Wessobrunn am 6. Mai 1715 ge-weiht.

Dann war fast 200 Jahre keine wesentlich Änderung am Baukörper erfolgt. Die Ver-treibung der Jesuiten (1773) brachte allerdings große Einschnitte für das geistliche und geistige Leben der Stadt. Die Jesuiten hatten nicht nur den Stadtprediger gestellt, son-dern auch das Gymnasium betrieben und zahlreiche Lehrer für diese Institution gestellt. Die Bürgersöhne (Mädchen wurden in der Schule der Ursulinen unterrichtet) mussten nun auf ein wesentliches Element ihrer Bildung verzichten. Mit feiner Ironie ließ der letzte Stadtprediger Pater Melchior Zech auf sein Grabmal in der Stadtpfarrkirche schreiben:

heu iacet et tacet, qui non taceret, si non iaceret
(o weh er liegt und schweigt, der nicht schweigen würde, wenn er nicht liegen würde)

1803 brachte die Säkularisation die Auflösung des Klosters Wessobrunn. Die lästige Aufsicht durch das Kloster war man los. Allerdings trat an dessen Stelle der bayerische Staat und der erwies sich als nicht minder anspruchsvoll. Zur Finanzierung der napoleo-nischen Kriege musste die Kirchenverwaltung das Kirchensilber an das kurfürstliche Münzamt in Augsburg abgeben, wo es eingeschmolzen wurde. Auch die laufenden Kos-ten konnten nicht mehr durch Einnahmen bewältigt werden, 1805 mussten zahlreiche vermutlich vorbarocke Ausstattungstücke versteigert werden. In diesem Jahr wurde auch auf königliche Anordnung der Friedhof aufgelöst, schlicht eingeebnet, an seiner Stelle entstand der jetzige Hellmair-Platz, benannt nach Pfarrer Georg Hellmair. Das heutzuta-ge beliebte Sommerfrühstück auf dem Platz wird über den Gräbern der Toten genossen.

Bayern schaffte es, in der napoleonischen Zeit geschickt und listig die Seiten zu wechseln, um möglichst auf der Siegerseite zu bleiben. So schlug man sich 1805 auf die Seite des französischen Kaisers. Der war am 14. Oktober 1805 höchstselbst in Lands-berg, inspizierte seine Truppen und zeigte sich auf dem Hauptplatz dem Volk. Hochrufe und Glockengeläut von der Stadtpfarrkirche taten ihr Möglichstes, um den Tyrannen bei Laune zu halten. Als Lohn wurde Bayern zum Königreich erhoben.

Der „moderne“ bayerische Staat forderte im Geist der Aufklärung die Abschaffung etli-cher traditioneller Bräuche, wie das Heilige Grab. und die von den Jesuiten so erfolgreich eingeführten Theaterstücke. Wirtschaftlich ging es im Königreich Bayern aufwärts, be-günstigt durch eine relativ lange Friedenszeit und die Einführung der Gewerbefreiheit. Die Bürger der Stadt wurden wohlhabend, vergaßen aber nicht die Stadtpfarrkirche. Etli-che Familien spendeten Glasfenster, vor allem in den Seitenkapellen, zu Ehren von Heilgen und zum eigenen Renommee. In dieser Zeit wurde auch das so genannte Fürs-tenfenster in Chor, 1562 gestiftet von Herzog Albrecht V, grundlegend saniert.

1902 wurde eine große Restaurierung des Baukörpers durchgeführt. Wasserschäden am Dachstuhl und Mauerwerk hatten dies notwendig gemacht. Gleichzeitig wurde der aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammende Gesamtcharakter des Bauwerks betont, aber auch Malereien der Spätgotik freigelegt. Auch der Kirchenraum wurde umfassend neu gestaltet, angelehnt an neobarocke Konzeptionen.

Die beiden Weltkriege gingen ohne Schaden an der Stadtpfarrkirche vorbei, für die Kriegswirtschaft mussten allerdings einige Glocken abgeliefert werden. Die Pfarrgemeinde war durch die Nationalsozialisten arg bedrängt. Wieder einmal wollte eine „moderne Bewegung“ den christlichen Kirchen zeigen, wie eine moderne Gesellschaft auszuse-hen hat. Der kommissarische Ortsgruppenleiter stellte fest:

„Dieses verstaubte Spießernest muss einmal aufgerüttelt werden.“

Landsberg schmückte sich in der nationalsozialistischen Zeit mit dem Titel: Stadt der Jugend und hielt sich etliches darauf zugute, dass Adolf Hitler seine Festungshaftstrafe im Gefängnis Landsberg absolviert hatte. Stolz ließ er sich vor dem Bayertor fotografieren.

1969 wurde eine grundsätzliche Sicherung der Statik der Stadtpfarrkirche nötig. Im Westgiebel der Kirche (zur Ludwigstraße hin) waren starke Rissbildungen vom Wandfuß bis zur Spitze, Abplatzungen vom Putz und Ziegelsteinen zu beklagen, die einen Ein-sturz nicht unwahrscheinlich machten. Als Ursachen dieser bedenklichen Veränderun-gen vermutete man das Absinken des Grundwasserspiegels durch die Eintiefung des Lechs und durch Verlegung von Abwasserkanälen. Auch Erschütterungen durch den starken Kraftfahrzeugverkehr in der damals noch für Fahrzeuge offenen Ludwigstraße und gar Druckwellen durch Düsenflugzeuge wurden dafür verantwortlich gemacht. Die mittelalterlichen Holzpfähle unter der Westwand wurde aufwändig entfernt und durch neue Pfahlgründungen ersetzt. Das Gewölbe über dem Chorraum wurde mithilfe einer Stahlkonstruktion neu gesichert und daran das Gewölbe aufgehängt. Auch der Turm musste gesichert werden, denn er hatte sich 47 cm nach Norden und 10 cm gegen Osten geneigt. Mit einer gründlichen Neufassung der Raumschale, angelehnt an die Erstfas-sung aus der Zeit um 1702 in einem leicht gebrochenen Weiß und hellgrau abgetöntem Stuck zog sich diese Renovierung bis ins Jahr 1981 hin. Der Chorraum musste an die Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils angepasst werden.

Heiß umkämpft bei dieser Renovierungsphase war der Abbruch der zweiten Empore am Ostende der Kirche.
Die obere Empore (wohl 1825 eingebaut) wurde abgerissen, so dass nur noch eine Empore übrig blieb und nun ein ungehinderter Blick auf den beeindruckenden Orgel-prospekt möglich wurde.

Im Jahr 2003 konnte ein besonderes Orgelregister eingebaut werden, eine „tuba mira-bilis“ nach angelsächsischer Bauart, wohl einmalig in Deutschland. Sie setzt der Orgel die Klangkrone auf. Vorbild sind die Willis-Tuben von St. Paul‘s Cathedral in London.

Ecclesia semper reformanda (die Kirche ist immer neu zu formen) betrifft nicht nur die Gemeinschaft der Gläubigen (Kirche im personalen Sinn) sondern auch ganz konkret ein Kirchengebäude. Deshalb wurde schon 2007 mit einer weiteren grundlegenden Re-novierung begonnen. Wiederum ging es um Statik und Erneuerung von abgegangenen Teilen. Anlass war ein Stein gewesen, der in der Südwest -Vorhalle aus dem Gewölbe heruntergefallen war. Fundament, Dach und Raumschale wurden mit großem bautech-nischen und finanziellem Aufwand (ca. 6 Mio €) grundlegend und hoffentlich für die nächsten Jahrzehnte ertüchtigt.

Seit 555 Jahren wird in der Stadtpfarrkirche Landsberg am Lech Gottesdienst gefeiert, nur kurz unterbrochen in der Zeit des 30-jährigen Krieges. Im jetzigen Volksaltar ist der ursprüngliche Altar aus der Erbauungszeit der Kirche, die ja wiederum auf eine frühere Kirche zurückgeht, verborgen. Durch ein Gitter kann man diesen Altarstein aus der Er-bauungszeit der Vorgängerkirche noch sehen.

Beständigkeit und Tradition sind dadurch gewissermaßen mit Händen zu greifen, Tradition nicht im Sinne einer entleerten Form, sondern im Sinne der Weitergabe des Feuers und des Erhaltes des katholischen Glau-bens. Die Leistungen der Erbauer dieser Kirche können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im Vergleich zu Ihnen haben wir heutigen Menschen uns eher zu verstecken. Das zu Unrecht als finster gescholtene Mittelalter hat diesen Bau hervorgebracht, ge-stützt auf den Vertrag vom 7. Januar 1457.  Auch heute noch muss jeder Priester, der Stadtpfarrer in Landsberg werden will, aufgrund dieses Vertrag durch den Stadtrat geprüft und vorgeschlagen werden als Stadtpfarrer. Auch der jetzige Stadtpfarrer Michael Zeitler musste durch dieses „Fegefeuer“.